In der Industrie stellt sich häufig die Frage nach einer angemessenen Prozessregelung.
Aufgrund der steigenden Komplexität ist es meist unmöglich, aber zumindest sehr
zeitaufwändig, ein mathematisch exaktes Modell zu entwerfen. Zum Zwecke der Regelung
ist daher eine selbstadaptive, modellbasierte Regelung von besonderem Interesse. Ein wichtiger Gesichtspunkt, der einer der Forschungsschwerpunkte im Teilprojekt C1
des Sonderforschungsbereichs 396 bildete, war ein approximativer Inferenzalgorithmus,
der auf dem Interfacealgorithmus für diskrete Bayesnetze, den K. Murphy in seiner
Dissertation vorgestellt hat. Bei der Verwendung für hybride, dynamische Bayesnetze
kann nicht länger von der Berechnung eines exakten Mittelwerts bzw. einer exakten
Varianz ausgegangen werden. Die Ursache hierfür liegt in der Approximation von
gaußschen Mischverteilungen durch Mischverteilungen mit weniger Mischungskomponenten.
In der Anwendung in der Regelungstechnik repräsentieren die Mischungskomponenten jedoch
verschiedene Arbeitspunkte. Da meist nur ein Arbeitspunkt bzw. bei Übergängen zwei Arbeitspunkte
aktiv sind, reicht die
erreichte Genauigkeit für Regelungszwecke aus, die Regelungsgüte wird durch das Verwenden
des approximativen Inferenzalgorithmus nicht beeinträchtigt. Die Laufzeit des approximativen
Algorithmus steigt jedoch nur linear an, der Zeitbedarf des exakten Inferenzalgorithmus
steigt exponentiell mit der Anzahl der Zeitscheiben an.
Der zweite Schwerpunkt bildete die Modellerstellung, wobei einer der Schwerpunkte das
Auffinden einer geeigneten Struktur ist. Betrachtet man die Parameter eines hybriden
Bayesnetzes genauer, so fällt auf, dass man jeder Belegungsmöglichkeit der diskreten
Väter eines Knotens einen konkreten Parameter zuordnen kann. Falls die durch einen
Versuchsplan erhobenen Daten zum Training eines Bayesnetzes dienen sollen, so ist darauf
zu achten, dass für jede diskrete Knotenmenge
{X1, ..., Xn}, die Väter eines anderen Knotens
sind, ein vollfaktorieller Versuchsplan durchgeführt wird, oder zumindest alle möglichen
Kombinationen x1, ..., xn beobachtet werden.
Diese Erkenntnisse wurden beim Erstellen eines Versuchsplanes für den Spritzgussprozess
angewandt. Die als wichtig erkannten Mehrfachwechselwirkungen können als verborgene
Knoten in das Bayesnetz aufgenommen werden. Die Trainierbarkeit und insbesondere die
Generalisierbarkeit des Bayesnetzes ist damit sichergestellt.
Selbstverständlich hat der Versuchsplan bzw. die erhobenen Daten auch einen Einfluss
auf das automatische Strukturlernen. Falls die Daten direkt bei der Produktion erfasst
wurden, so stammen sie meisten aus einem fest vorgegebenen Prozessfenster. Die Eingabegrößen
erscheinen dabei stark korreliert, da sie aufeinander abgestimmt werden müssen, um ein
optimales Produktionsergebnis zu erzielen. Auf der anderen Seite lassen sich die Eingabewerte
meist unabhängig voneinander einstellen, so dass es sinnvoll ist die Eingabegrößen als
unabhängig zu modellieren. Auf Bayesnetze bezogen heisst das, dass in diesen Fällen
Kanten zwischen den Eingabeknoten überflüssig sind.