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MS I NdL: Walter Benjamins Kunstwerk-Aufsatz und andere materialistische Medientheorien (I NDL, SM-LitS, SM-LitKo., II NdL2.)

Dozent/in
Dr. Sandra Fluhrer

Angaben
Übung
2 SWS
Master
Zeit und Ort: Mi 10:00 - 12:00, C 702

Voraussetzungen / Organisatorisches
Das Seminar kann als Übung im MA Germanistik und im MA Literaturstudien sowie als einführendes Hauptseminar (Intermedialität) in den Literaturstudien belegt werden.

Inhalt
Das Vorwort in Walter Benjamins Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (1936/39), der die Entstehung und Wirkung von Kunstwerken vor dem Hintergrund der politisch-ökonomischen, sozialen, technischen und ästhetischen Zusammenhänge ihrer Zeit diskutiert, endet auf zwei hervorgehobenen Sätzen: „Die im folgenden neu in die Kunsttheorie eingeführten Begriffe unterscheiden sich von geläufigeren dadurch, daß sie für die Zwecke des Faschismus vollkommen unbrauchbar sind. Dagegen sind sie zur Formulierung revolutionärer Forderungen in der Kunstpolitik brauchbar.“ Benjamin schreibt diese Sätze 1935/36 im Pariser Exil; die von ihm eingeführten, heute längst verschlagworteten, Konzepte wie das des Verlusts der ‚Aura‘, den das Kunstwerk in der Moderne durch Reproduktionstechniken erleidet, die zu einer Fragmentierung der Wahrnehmung führen, oder das der ‚Chock‘-Wirkungen und des ‚Optisch-Unbewussten‘ des Films entwickelt Benjamin in höchst unsicherer Lage während des sich zunehmend verschärfenden Faschismus. Es geht ihm weniger um einen Beitrag zum Wissenschaftsdiskurs seiner Zeit als vielmehr darum, wie es am Ende des Aufsatzes heißt, der faschistischen „Ästhetisierung der Politik“ eine kommunistische „Politisierung der Kunst“ entgegenzusetzen. Ziel des Seminars ist es zunächst, über eine intensive Lektüre, Benjamins Gedankengänge und Beschreibungen vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit nachzuvollziehen, aber auch nach der Aktualität seiner Konzepte zu fragen. Mit und neben der Erschließung von Benjamins Text gilt das systematische Interesse des Seminars Medientheorien, die sich insofern als materialistisch bezeichnen lassen, als sie besonderes Augenmerk auf die materialen Bedingungen von Medien und Medienphänomenen legen und an diese Perspektive ein emanzipatorisches Denken über den Gebrauch und die Kritik von Medien knüpfen. Die historisch-materialistische Denkpraxis nimmt dabei nicht zuletzt Bezug auf den Menschen selbst in seiner Körperlichkeit und die Bedingungen seiner Sinneswahrnehmung. In seiner 2016 erschienener Monographie „Materialism“ betont der marxistische Literatur- und Kulturtheoretiker Terry Eagleton die ethisch-politische Dimension einer materialistischen Weltaneignung vor dem Horizont humanistischer Hybris: Indem die Menschen sich bewusst werden, zu ihrer Umgebung hin geöffnete Bestandteile der materialen Welt zu sein, können sie in ein solidarisches Verhältnis zu ihr zu treten, statt zu versuchen, sie zu bestimmen. Insofern ist ein materialistisches Denken über Medien immer auch Medienanthropologie. Wir beginnen mit Benjamins „Kleinen Geschichte der Photographie“ (1931) und erschließen uns im Anschluss über mehrere Sitzungen den Kunstwerk-Aufsatz. Nach der Diskussion einiger einschlägiger Perspektiven aus der Benjamin-Forschung widmen wir uns dem an Benjamin geschulten Konzept des entmystifizierenden ‚Sehens‘ von Kunst, das der Kunstwissenschaftler, Schriftsteller und Maler John Berger geprägt hat („Ways of Seeing“, 1972). Dabei nehmen wir uns auch einige von Bergers stets an den materialen Bedingungen der Produktion und Rezeption von Kunst entlanggeführten, außerordentlich anregenden Bildlektüren und kunsthistorischen Miniaturen vor. Die zweite Hälfte des Seminars gilt, in Form kürzerer Ausblicke, der Erweiterung der Perspektiven über das Denken von Raymond Williams und die marxistischen Cultural Studies sowie die Arbeit des Literatur- und Medienwissenschaftlers Friedrich Kittler, der den Begriff der „Aufschreibesysteme“ geprägt hat. Es besteht die Möglichkeit, der von Benjamin aufgerufenen Frage nach der emanzipatorischen „Brauchbarkeit“ der Medientheorien über Diskussionen an konkreten Objekten (Literatur, Film, Bild, Theater) außerhalb der Seminarzeiten nachzugehen.

Empfohlene Literatur
Hilfreich als (streitbare) Einführung und Orientierung in der vorlesungsfreien Zeit: Terry Eagleton: Materialism, New Haven: Yale University Press 2016. (Auch in deutscher Übersetzung erhältlich: Materialismus. Die Welt erfassen und verändern, übers. v. Stefan Kraft, Wien: Promedia 2018.) Darüber hinaus empfehle ich Ihnen, sich über geeignete medien- und kulturwissenschaftliche Nachschlagewerke eine erste Orientierung über das Denken der im Seminar gelesenen Autoren zu verschaffen. Bitte besorgen Sie sich den Kunstwerk-Aufsatz (Fassung von 1939) in der kommentierten Ausgabe der Suhrkamp-Studienbibliothek (ISBN 978-3-518-27001-1, 11,– €) sowie eine Ausgabe der „Ways of Seeing“ (Penguin-Verlag). Weitere Texte werden als Scans zur Verfügung gestellt.

Zusätzliche Informationen
Erwartete Teilnehmerzahl: 10, Maximale Teilnehmerzahl: 10
Für diese Lehrveranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich.
Die Anmeldung erfolgt von Montag, 17.9.2018 bis Freitag, 2.11.2018 über: mein Campus.

Verwendung in folgenden UnivIS-Modulen
Startsemester WS 2018/2019:
Modul 8 E (M 8)

Institution: Lehrstuhl für Komparatistik
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