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‚Heimat'-Bilder in der deutschen Nachkriegsliteratur

‚Heimat' ist (nicht nur im Kontext der Literatur) ein im wahrsten Sinne des Wortes frag-würdiger Begriff. Die eigentümlich ‚deutsche' Vokabel löst spätestens seit den fatalen Ideologisierungen und simplen Idyllisierungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl an berechtigten Irritationen aus. Jede Annäherung an das Thema sieht sich mit einer Fülle an ästhetischen (und ethischen) Problemen konfrontiert, die eine irgendwie geartete unmittelbare, ‚naive' Herangehensweise endgültig obsolet erscheinen läßt. Demgegenüber steht aber eine geradezu erstaunliche Präsenz von ‚Heimat'-Bildern in der deutschen Nachkriegsliteratur, die - wie kaum eine literarische Epoche vor ihr - sich dezidiert aus der Provinz herzuschreiben und die spezifischen Fragen und Probleme ihrer Zeit in ‚heimatliche' (Text-)Topographien einzuschreiben scheint. Angefangen von den signifikanten Städtebildern Bölls oder Grass über die ‚Landschaftsaufnahmen' bei Lenz oder Johnson, die heimatlichen ‚Horrorszenarien' à la Bernhard oder Kroetz bis hin zu den um die Heimat-Frage nach der Wiedervereinigung bemühten Texten eines Volker Braun, Durs Grünbein oder Ingo Schulze - immer eröffnet das aus verschiedenen Facetten (Erinnerungsorte, Kindheitserlebnisse, Herkunft, Sprache etc.), aus vorgefundenen Realien und fiktiven Phantasmagorien gleichermaßen zusammengesetzte poetische Heimat-Panorama - analog zur Doppelbedeutung des "einst" - zwei Blickrichtungen: zurück (im Modus der Melancholie) und nach vorne (im Zeichen der Utopie). Heimat als "ou topos" (Bernhard Schlink), als Nicht-Ort, der nur im als-ob des fiktionalen Textes vergegenwärtigt und im dreifach-Hegelschen Sinne aufgehoben (bewahrt, auf andere Stufe gehoben und annulliert) werden kann. Mit welch unterschiedlichen Strategien der Ästhetisierung und Techniken der Verfremdung die Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur darauf reagieren, soll in diesem Projekt genauer unter die Lupe genommen werden. Anders gesagt: Beschrieben wird das Er-Schreiben dessen, "worin noch niemand war: Heimat" (Ernst Bloch).
Projektleitung:
Dr. Anika Davidson

Beginn: 1.10.2001

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