Die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit sowie des Lesens und Schreibens im ersten und zweiten Schuljahr unter verschiedenen unterrichtsmethodischen BedingungenAm Institut für Grundschulforschung wurde 1997 bis 1999 ein von der DFG gefördertes Projekt zur phonologischen Bewusstheit (Leitung: Prof. Einsiedler, Prof. Helbig, Prof. Treinies) durchgeführt. Ziel des Nürnberger Projekts war es zu prüfen, wie verschiedene unterrichtsmethodische Bedingungen Einfluss auf die Entwicklung phonologischer Bewusstheit sowie auf Lese- und Rechtschreibleistungen in den ersten beiden Jahrgangsstufen nehmen. Phonologische Bewusstheit, verstanden als Fähigkeit, die Struktur der Lautsprache zu erkennen und mit Sprachelementen zu operieren, gilt in der internationalen Forschung inzwischen unumstritten als Kernvoraussetzung für erfolgreichen Schriftspracherwerb.
Die Stichprobe umfasste 375 Kinder. Fünf Klassen wurden mit einem Fibellehrgang sowie einem Training zur phonologischen Bewusstheit unterrichtet, fünf Klassen arbeiteten mit einer Form des deutschen Spracherfahrungsansatzes (entwicklungsorientierter Schriftspracherwerb) und fünf weitere Klassen dienten als Kontrollgruppe mit traditionellem Fibellehrgang.
Zu Schuljahresbeginn wurde die phonologische Bewusstheit mit einem am Institut selbst entwickelten Erhebungsverfahren gemessen. Anschließend wurden die Kinder post-hoc in drei Leistungsgruppen mit niedrigen, mittleren und hohen Ausgangswerten in phonologischer Bewusstheit eingeordnet. Nach fünf Monaten wurde dieselbe Erhebung als Posttest durchgeführt. Die Berechnungen verweisen auf einen signifikanten 3-fach-Interaktionseffekt Treatment Leistungsniveau Messzeitpunkt für phonologische Bewusstheit im weiteren und im engeren Sinn zu diesem Messzeitpunkt. Bei den differenziellen Effekten sind die deutlichsten Unterschiede für die Kinder der Leistungsniveaustufe "niedrig" auszumachen.
Die Auswertung der Lesetests (Lesefertigkeit und Leseverständnis) sowie der Rechtschreibtests am Ende des 1. und Mitte bzw. Ende des 2. Schuljahres erfolgte mit einer Kovarianzanalyse mit Messwiederholung. Vor allem die Wechselwirkung zwischen Messzeitpunkt und Schriftspracherwerbsmethode erbrachte ein eindeutiges Ergebnis: bei allen Mittelwertsprofilen erlangte die Trainingsgruppe die besten Ergebnisse. Signifikante und bedeutsame Langzeiteffekte gegenüber den beiden anderen Gruppen waren vor allem in Lesefertigkeit, aber auch im Leseverständnis zu verzeichnen. Unerwartet lagen dagegen im Rechtschreiben die Mittelwerte der drei Gruppen nahezu gleichauf. Unterschiede zwischen den Klassen mit entwicklungsorientiertem Unterricht und den Fibelklassen wurden nicht signifikant.
Veröffentlichungen:
Einsiedler, W., Frank, A., Kirschhock, E.-M., Martschinke, S. & Treinies G. (2000). Der Einfluss verschiedener Unterrichtsmethoden auf die phonologische Bewusstheit sowie auf Lese- und Rechtschreibleistungen im 1. Schuljahr. Nr. 93. Nürnberg: Arbeiten aus dem Institut für Grundschulforschung. Erscheint in: Psychologie in Erziehung und Unterricht (im Druck)
Forster, M. & Martschinke, S. (2001). Leichter lesen lernen mit der Hexe Susi. Donauwörth: Auer.
Kirschhock, E.-M., Martschinke, S., Treinies, G. & Einsiedler, W.(2002). Vergleich von Unterrichtsmethoden zum Schriftspracherwerb mit Ergebnissen zum Lesen und Rechtschreiben im 1. und 2. Schuljahr. Nr. 100. Nürnberg: Arbeiten aus dem Institut für Grundschulforschung. Erscheint in: Empirische Pädagogik (im Druck)
Martschinke, S., Kirschhock, E.-M. & Frank, A. (2001). Nürnberger Erhebungsverfahren zur phonologischen Bewusstheit. Ein Rundgang durch Hörhausen. Donauwörth: Auer.
Treinies, G., Martschinke, S., Kirschhock, E.-M. & Frank, A. (1999). Die Entwicklung und Evaluation eines Erhebungsverfahrens zur phonologischen Bewusstheit im ersten Schuljahr. Bericht Nr. 91. Nürnberg: Berichte und Arbeiten aus dem Institut für Grundschulforschung.
| Projektleitung: Prof. Dr. Wolfgang Einsiedler
Beteiligte: Prof. Dr. Paul Helbig, apl. Prof. Dr. phil., M.A. Gerhard Treinies
Laufzeit: 1.9.1997 - 31.8.1999
Förderer: DFG
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